Wissenschaftlich fundierte Zahlen überzeugen. 55 % des nachrichtlichen Unterrichtsinhalts stammt heute noch aus der Zeitung. Nur 3 % aus den sozialen Medien. Sagt Prof. Dr. Olaf-Axel Burow. Der 68-jährige Wissenschaftler lehrt an der Uni Kassel „Allgemeine Pädagogik“ und hat Verfahren zur prozessorientierten Zukunftsmoderation entwickelt sowie
Zukunftswerkstätten aufgesetzt, die auf Open Space Technology beruhen.
Burow treibt aktuell die Frage um, wie man Schule digitalisiert bekommt. Zumal die digitale Transformation hier ja schon längt eingesetzt hat. Er hat dazu ein Buch geschrieben, in dem er die zentralen Bildungstrends benennt. Seither ist der Professor ein heiß begehrter Experte, der mit Witz und Empathie Pädagogen die Augen öffnet und aufzeigt, wie sich die digitale Zukunft gemeinsam gestalten lässt. Am Donnerstag tat er das beim Kompakttag Bildung 2030 in der MMBbS an der Plaza.
Für Burow steht fest, „dass die Digitalisierung eine Renaissance der Aufklärung voraussetzt. Alles, was nach dem Kabel kommt, gehört schnellstmöglich in den Fokus gerückt. Die digitale Welt ist allgegenwärtig, das Internet medialer Kanal Nummer eins. Die gesellschaftliche Verantwortung, die daraus resultiert, erfordert Medienkompetenz. Und die muss schon im Vorschulalter ein bildungspolitischer Auftrag sein, damit die Kleinen im Kinderzimmer nicht grenzenlos auf dem I-Pad herumwischen und Siri und Co. nach Antworten fragen. Die Gefahr ist, dass diese Kinder möglicherweise schwerer schreiben lernen und in späterer Zukunft recht unkritisch mit den gegebenen Antworten umgehen, ohne sie auf den Wahrheitsgehalt hin zu verifizieren.
Die nächste Aufgabe ist dann, Lehr- und Lerninhalte in die Cloud zu stellen, damit Schüler das digitale Klassenzimmer auch vollumfänglich nutzen können und den durch die Vernetzung erwachsenen Mehrwert der Digitalisierung ausschöpfen können: Projektarbeit in Echtzeit über Klassenraum-, Schul- und Landesgrenzen hinweg ist da nur ein Beispiel. Was allerdings in der Realität nur dann funktioniert, wenn Lehrer keine digitalen Verweigerer sind, sondern Wissenstransmitter, die fortlaufend gecoacht und sich über wiederkehrende Fortbildungsschleifen neuestes Wissen aneignen.
Es sei ein Irrglaube, dass junge Menschen, nur weil sie tagtäglich mit Smartphones oder Tablets in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, digital natives seien. „Ganz im Gegenteil. Sie können die Geräte wohl bedienen, aber wissen nicht, wie man sich damit sinnstiftend Wissen aneignen kann. Woher auch. Bisher verweigerten sich viele Lehrer aus Angst vor der Veränderung, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Dieser Widerstand ist gebrochen. Es setzt ein Umdenken ein, weil man erkannt hat, dass die Schulen digital reformiert werden müssen. Dafür müssen ganzheitliche fundierte pädagogische Konzepte entwickelt werden, die am Ende das Unterrichten vereinfachen und damit mehr Zeit belibt, sich dem einzelnen Schüler zu widmen“, sagte Prof. Dr. Olaf-Axel Burow, der der Ansicht ist, das Handys als Recherchetool bei Klassenarbeiten künftig zulässig sein sollten. „Dafür müssen wir nur die Aufgabenstellungen anders formulieren, damit die Technik nicht die Lösung vorsagt“.